STEREOBILDPAARE AUSGEHEND VON NUR EINEM EINZELBILD
1. Räumliches Sehen
Abbildung 1 zeigt schematisch, wie räumliches (stereoskopisches) Sehen zustande kommt: Wir sehen das Objekt unter verschiedenen Blickwinkeln, d.h., die von unseren Augen zur Sehrinde gesendeten Bilder unterscheiden sich geringfügig. Unsere Sehrinde wiederum ist in der Lage, diese unterschiedlichen Bilder zu einem einzigen Gesamtbild zusammenzufügen, wobei die Abweichungen gleichzeitig zu einem räumlichen Eindruck verarbeitet werden. Fotografiert man nun ein Objekt unter unterschiedlichen Sehwinkeln (Abb.2) und sorgt dann dafür, daß unsere Augen jeweils nur ein Bild des so erhaltenen Bildpaares zu sehen bekommen, entsteht für den Betrachter ein räumlicher Eindruck.
Abb. 1 Binokulares Sehen |
Abb.2 Stereofotografie |
2. Betrachten von Stereobildpaaren
Abbildung 3 zeigt ein Stereobildpaar,
das mit Hilfe eines Rasterelektronenmikroskopes (REM) erstellt wurde. Hierbei
wurde der Objekttisch einmal um 5 Grad nach links, dann um 5 Grad nach rechts
gekippt. Das linke Bild ist dem linken Auge zugeordnet, das rechte Bild dem
rechten Auge. Man setzt sich im bequemen Abstand vor den Bildschirm (Fernakkomodation)
und blickt "träumend" durch den Bildschirm hindurch. Hierbei
stellen sich die Augachsen parallel und es erscheinen zwei weitere Bilder zwischen
den Stereobildern, die sich mehr oder weniger überlappen. Plötzlich
verschmelzen diese Bilder mit einem "Klick", und man sieht ein räumliches
Bild im Raume schweben. Ist dies einmal gelungen, so gelingt dies immer wieder,
denn unser Hirn lernt in diesem Falle sehr schnell, was verlangt wird. Leider
unterliegt diese Betrachtungsmethode einer Einschränkung: Die Bildmittelpunkte
müssen dem Augenabstand entsprechen (ca. 8 cm). Für größere
Bilder ist diese Methode daher unegeignet.
Abb.3 Stereobildpaar für Betrachtung mit parallelen Augachsen |
Abbildung 4 zeigt ebenfalls ein Stereobildpaar, das mit Hilfe eine REM erstellt wurde, ganz wie oben beschrieben. Hier ist das linke Bild dem rechten Auge zugeordnet und umgekehrt. Man setzt sich im bequemen Abstand vor den Bildschirm (Fernakkomodation) und zwingt sich ein wenig zu schielen. Hierbei erscheinen zwischen dem Stereobildpaar zwei sich überlappende Bilder, die ebenfalls mit einem "Klick" zu einem räumlichen Bild verschmelzen. Sobald dies geschehen ist, stabilisiert unser Hirn die Ausrichtung der Augenachsen, d.h., wir schielen jetzt ohne jede Anstrengung und ohne uns dessen bewußt zu sein weiterhin und sehen so beliebig lange das räumliche Bild. Diese Betrachtunsmethode ist unabhängig von der Bildgröße, sie gelingt sogar bei projizierten Bildern (Beamer).
Abb.4 Stereobildpaar für Betrachtung mit gekreuzten Augachsen |
Schließlich besteht noch die Möglichkeit, das Stereobildpaar zu einem Anaglyphenbild zu überlagern und mit einer Rot-Cyan-Brille zu betrachten (das Rotfilter ist standardmäßig dem linken Auge zugeordnet). Während die bisher beschriebenen Betrachtungsmethoden auch auf Farbbilder angewendet werden können, müssen nun die Stereobilder zunächst in Graustufenbilder umgewandelt werden, dann färbt man sie rot bzw. blaugrün (=cyan) ein und überlagert sie, wobei das "oben" liegende Bild transparent sein muß. Viele Bildbearbeitungsprogramme, z.B. PHOTO PAINT, verfügen über eine spezielle Funktion, die all dies, ausgehend von zwei Graustufenbildern, in einem Schritt erledigt. Man beachte, daß die Verschiebung der Bilder gegeneinander keinen Einfluß auf die Form des Objektes hat, sie entscheidet lediglich darüber, ob das Objekt vor oder hinter dem Bildschirm erscheint (Abb.5). Das betrachten von Anaglyphenbildern macht keinerlei Schwierigkeiten, allerdings geht bei der Überlagerung einiges an Bildqualität verloren; dies gilt insbesondere für Feinstrukturen der Bildmitte. Den weiter oben erläuterten Betrachtunsmethoden ist daher der Vorzug zu geben!
Abb.5 Anaglyphenbild |
3. Stereobildpaare, basierend auf nur einem Einzelbild
Wissenschaftlich gesehen kann
die Hummel nicht fliegen -
sie weiß das nicht und fliegt trotzdem!
Die obigen Beispiele zeigen, daß Stereobildpaare aus zwei mehr oder weniger unterschiedlichen Einzelbildern bestehen - abstrakt gesprochen: Beide Bilder enthalten unterschiedliche Informationen. Verzerrt man dagegen ein Einzelbild, um ein Stereobildpaar zu erzeugen, so enthalten die Bilder des Paares natürlich dieselben Informationen, denn es verschwindet nichts und es kommt auch nichts hinzu. Wie kann das aber dann trotzdem zu einem räumlichen Eindruck führen? Die Erklärung wird weiter unten gegeben, zunächst sei die Methode erläutert.
Voraussetzung für das Gelingen sind Einzelbilder hoher Tiefenschärfe von klar begrenzten Objekten mit distinkten Strukturen vor einem neutralen (d.h. leeren) Hintergrund. Typische Beispiele sind REM-Bilder, die von Natur aus eine hohe Tiefenschärfe besitzen, oder gestackte Mikrobilder (vgl. hierzu auch die Seite über PICOLAY).
Abbildung 6 zeigt das Ausgangsbild, die Abbildungen 7a und 7b die in vertikaler Richtung trapezförmig verzerrten Bilder, die Abbildungen 8, 9 und 10 die jeweiligen Stereobildpaare.
Abb.6 Ausgangsbild |
Abb 7a Stereo-Einzel für das rechte Auge |
Abb.7b Stereo-Einzel für das linke Auge |
Abb.8 Links-Rechts-Bildpaar für Parallelblick |
Abb.9 Rechts-Links-Bildpaar für Kreuzblick |
Abb.10 Anaglyphenbild |
Räumliches Sehen basiert auf äußerst komplexen Vorgängen in unserer Sehrinde, wobei diese gleichzeitig ganz unterschiedliche Informationen auswertet. Wegen der Bedeutung des räumlichen Sehens für das Überleben besitzt die Bildauswertung der Sehrinde daher eine erhebliche Redundanz. Es sei nur daran erinnert, daß Personen, die auf einem Auge erblindet sind, problemlos Auto fahren können und dürfen - hier wertet die Sehrinde die relativen Größen bekannter Objekte aus, ferner die unterschiedlich schnelle Verschiebung der Objekte vor einem weit entfernten Hintergrund, sofern man sich bewegt. Unsere Sehrinde ist gewissermaßen auch mit unvollständigen Informationen "zufrieden".
Nun erscheint beim binokularen Sehen der dem rechten Auge zugewandte Teil des fixierten Objektes dem rechten Auge etwas größer als dem linken und umgekehrt, und genau das wird bei der "Trapezmethode" ausgenutzt (vgl. Abb.7a und 7b). Obwohl Informationen fehlen - hier wird ja nicht um das Objekt ein wenig "herumgeblickt" (vgl. Abb.1) - genügen diese einseitigen Verzerrungen unserer Sehrinde um einen korrekten räumlichen Eindruck zu erzeugen.
Um die Leistungsfähigkeit der Methode zu demonstrieren hier eine kleine Bildergalerie zum Anklicken.
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